Tierkommunikation: „Hunde spiegeln uns, damit wir uns weiterentwickeln“

by StefanC
Tiere verstehen und mit ihnen kommunizieren - Laurent Amman.

Wer kennt das nicht, wenn der Hund plötzlich vor der Tür steht, obwohl man nur an den Spaziergang gedacht hat. Oder er schon unruhig ist, obwohl Frauchen oder Herrchen erst in fünf Minuten nach Hause kommen. Wie Hunde mit uns kommunizieren und was Tierkommunikation überhaupt ist, erklärt Tierflüsterer und Verhaltensbiologe Laurent Amann in einem Interview.

Tierkommunikation ist ein Begriff, den man heutzutage immer öfter hört – Zukunft oder Hokuspokus? Was bedeutet Tierkommunikation für Sie? Wie würden Sie Tierkommunikation definieren?

Tierkommunikation befasst sich damit, wie wir uns über unsere Gedanken und Gefühle mit unseren Tieren austauschen können. Wir haben uns in der Kommunikation mit Tieren bisher viel auf Körper und Gedanken fokussiert, um zu wissen, wie wir zum Beispiel die Hand halten müssen, um zu wissen, welche Worte wir sagen müssen. Wir wissen auch, dass die Stimmlage eine Rolle spielt.

Aber trotzdem geht das noch viel weiter. Die Tiere haben Gefühle, Menschen haben Gefühle, Tiere haben Gedanken, Menschen haben Gedanken, und darüber können wir auch kommunizieren. Also für mich ist Tierkommunikation überhaupt kein Hokuspokus, überhaupt nicht. Was wir vom Menschen kennen, ist Empathie, das ist das gleiche. Mutter und Kind sind hier ein sehr gutes Beispiel. Obwohl sich der Schrei des Babys gleich anhört, kann die Mutter sich in ihr Kind hineinfühlen und spüren, wie es ihm geht. Genauso können wir eben auch lernen, uns in ein Tier hinein zu fühlen und die Gefühle von dem Tier wahrzunehmen.

Wie viel läuft in der Mensch-Tier-Kommunikation über Körpersprache, Mimik, etc., wie viel über Gedankenaustausch?

Körper und Stimme machen für mich so rund 30 Prozent aus. Das ist wirklich ein sehr kleiner Anteil. Das meiste läuft über Gefühle und über Gedanken und innere Bilder ab, das sind rund 70 Prozent. Immer, bevor wir etwas körperlich tun, kommt ein Gefühl oder ein Gedanke. Wenn Sie einfach nur zur Tür gehen wollen, die Tür aufmachen wollen, da werden Sie zuerst den Gedanken haben: Jetzt stehe ich auf und öffne die Tür. Bei jeder Aktion, die wir setzen, sei es jetzt mit der Stimme oder mit dem Körper, ist immer davor ein Gefühl und ein Gedanke.

Besonders die Hunde sind hier sehr spezialisiert. Sie leben ja mit dem Menschen zusammen, das heißt, sie müssen sich so gut wie möglich abstimmen. Damit sie einfach wissen, was sie zu tun haben, ob Gefahr lauert oder man in Sicherheit ist, bringt es ihnen viel, schon auf Gedanken und Gefühle zu achten -bevor der Mensch überhaupt mit seinem Körper etwas sagt.

Das ist auch das Problem, dass wir Menschen gelernt haben, unseren Körper komplett zu verstellen. Unsere Körpersprache ist ja selten authentisch, wir können ganz ruhig da stehen und innerlich aufgeregt sein, Angst haben, nervös sein. Dem Hund vorzutäuschen, ruhig zu sein, bringt ihm nichts. Wenn Sie innerlich Angst haben, wird das schon seinen Grund haben dafür und genau darauf sollte der Hund dann auch reagieren können. Das erklärt, warum sie so stark auf diese Gefühle, Gedanken und inneren Bilder reagieren und man das nicht so einfach abtrainieren kann.

Auch wenn sich der Mensch bemüht, seine Körpersprache zu verändern, dem Hund kann er dann ja nie etwas vormachen, oder?

Das ist nur ein ganz kleiner Teil. Es ist wichtiger zu lernen, seine eigenen Gefühle überhaupt wahrzunehmen. Wie fühle ich mich gerade jetzt, bin ich nervös oder bin ich entspannt? Daran zu arbeiten, auch an seinen eigenen Gedanken zu arbeiten. Wenn ich immer das Bild habe, oje da kommt ein Hund, mein Hund wir hinrennen und ihn beißen, natürlich wird der Hund das irgendwann tun. Er bekommt ja immer diese Anweisung, dass er es tun soll. Also wir müssen auch lernen, unsere eigenen Gedanken wieder wahrzunehmen und zu schulen, einfach umzudenken. Und dann Körper und Stimme einfach fließen lassen, nicht versuchen, sich zu sehr zu verstellen. Das muss einfach mit unseren Gedanken, mit unseren Gefühlen zusammenpassen. Dann erst kann der Hund dieses klare Bild bekommen, das von ihm jetzt gefragt ist.

Der Körper ist natürlich auch sehr wichtig. Er unterstreicht natürlich noch mehr die Gedanken und Gefühle. Also nur mit Gedanken und Gefühlen den Hund zurückrufen, das wäre zu wenig. Man muss auch mit Körper und Stimme eingreifen. Es ist einfach nur wichtig, zu wissen, es reicht nicht. Ich sehe immer wieder, dass Hundebesitzer einen Hund nicht einmal absitzen lassen können. Das ist für einen Hund die leichteste Übung. Ein Welpe kann, sobald er einigermaßen stehen kann, sich auch schon hinsetzen. Und ein Hund setzt sich von sich aus hin, wenn er etwas beobachten will, wenn er bettelt, wenn er sich etwas von jemandem wünscht – das tut er einfach sehr gerne. Trotzdem fällt es dem Hundebesitzer oft schwer, ein Sitz von seinem Hund zu bekommen, wenn er es braucht.

Im Training merke ich immer wieder, ich kann den Menschen so gut schulen, dass er mit der Stimme perfekt „Sitz“ sagt, dass er mit dem Körper perfekt „Sitz“ sagt, weil er aber trotzdem innerlich nervös ist und sich innerlich vorstellt, „oje, mein Hund wird sich niemals setzen können, das kann nicht gehen“, wird der Hund sich auch nicht hinsetzen. Also Körper und Stimme sind notwendig, aber es ist auch sehr wichtig, dass wir entspannt werden, zwei- bis dreimal durchatmen, die Gedanken darauf fokussieren, dass ich von meinem Hund jetzt ein „Sitz“ möchte. Dann erst sind wir dazu bereit, auch das Wort „Sitz“ zu sagen und mit unserem Körper umzugehen, und dann wird sich der Hund erst hinsetzen.

Ist Tierkommunikation also für jeden erlernbar? Oder haben Sie als Tierflüsterer besondere Fähigkeiten?

Mit „Tierflüsterer“ verbinde ich vieles. Ich habe den Aspekt Tierkommunikation, den Aspekt Tiertraining, mache sehr viel Coaching mit dem Menschen und auch viele energetische Behandlungen. Ich biete ein sehr breites Spektrum an. Tierkommunikation muss man wirklich lernen. Bevor man Tierkommunikation an sich lernen, also anwenden kann, muss man sein Bewusstsein, seine eigene Wahrnehmung schulen (was geht grade in mir vor?) und auch die Wahrnehmung anderen gegenüber.

Man muss lernen, die eigenen Gefühle zu spüren, diese Abgrenzung zu spüren: Ist das jetzt mein Gefühl oder ist das das Gefühl von meinem Tier? Man muss Offenheit und Einsatz zeigen, sich dem zu öffnen. Das kann auch manchmal unangenehm sein. Wenn wir uns den Gedanken der Tiere öffnen, bekommen wir auch viel vom Leid der Tiere mit. Dessen müssen wir uns bewusst sein und uns fragen: Wie kann ich damit umgehen? Wenn wir zu all dem bereit sind, dann ist das einfach nur Übungssache. Es ist so, als würden wir eine neue Sprache lernen.

In einem Interview sprachen Sie einmal von „übersinnlichen Begegnungen“. Waren diese der Auslöser, sich näher mit dem Thema Tierkommunikation zu befassen?

Ich komme ja aus der Verhaltensbiologie. In Versuchen mit Bergpapageien wollten wir herausfinden, wie schnell ein Tier Futter finden und wie schnell es lernen kann. Ich hatte da immer bessere Resultate, als wir uns vorgestellt hatten. Da haben wir uns zusammengesetzt und uns gefragt, wie das möglich sein kann, dass die Tiere so gut abschneiden. Den einzigen Unterschied, den wir festgestellt hatten war der, dass ich mir im Gegensatz zu den anderen, die den gleichen Versuch durchgeführt hatten, immer ganz genau vorgestellt habe:  So und so läuft das ab. Also: Das Tier kommt rein, es läuft da hin, es zieht an der Schublade, nimmt das Futter und geht wieder raus. Das haben die Tiere als Anhaltspunkt genommen. Ich habe gemerkt, ich stelle mir etwas vor, ich habe einen Film im Kopf, und das Tier macht genau das, ohne dass ich jetzt über Körper oder Stimme mit ihm kommuniziere. Das war ein Punkt, wo ich mir gedacht habe, ok, da muss irgendetwas sein.

Dann waren da die Erfahrungen mit meinem eigenen Hund Rio. Er kam im Alter von sieben Wochen, also als Welpe zu mir, und er hatte von Anfang an sehr schlecht gegessen. Ich habe alles versucht, damit er besser ist, Joghurt und Honig aufs Futter gegeben, ich habe alle möglichen Futtersorten ausprobiert. Er hatte einfach nicht gegessen. Das hat dazu geführt, dass ich mich intensiv mit dem Thema Ernährung beschäftigen musste, um eine Möglichkeit zu finden, dass er wieder zunimmt, damit er gut wachsen kann. Da ist mir aufgefallen, dass ich mich selbst sehr schlecht bis gar nicht ernähre.

Ich habe dann an mir gearbeitet, mit einem Coach, um meine Essstörung aufzulösen und dann hat auch Rio wieder zu essen begonnen. Da war ich als Verhaltensbiologe natürlich sehr skeptisch, was das für einen Zusammenhang haben kann. Ich habe alles durchgetestet und mich gefragt: Ist das jetzt Zufall, dass von den Millionen Hunden, die jedes Jahr auf die Welt kommen, ich genau den bekomme, der genau das gleiche Problem hatte wie ich? Das konnte kein Zufall sein. Ich hatte es ihm auch nicht gelernt, also ich habe meinem Hund ja nicht beigebracht, nicht zu essen. Beim Züchter hatte er gegessen, bei mir hat er nicht gegessen – von einem Tag auf den anderen. Und das hat sich auch von einem Tag auf den anderen gelöst, als ich meine Essstörung im Griff hatte.

Ich habe als Verhaltensbiologe alle Möglichkeiten durchgetestet und gemerkt, ich finde keine Erklärung, warum mein Hund nicht isst, wenn ich nicht esse und warum er wieder isst, wenn ich esse – warum er mich da eins zu eins spiegelt. Und da habe ich mich mit der Frage beschäftigt, wie das möglich sein kann, dass er mich spiegelt. Das bedeutet, er kann fühlen, was in mir vorgeht, er weiß, was in mir vorgeht und er weiß auch, dass das für mich wichtig ist und was er bei mir bewirken und ändern kann. Es ist ein Netzwerk, das in diesem Tier vorhanden ist, das einfach so viel Wissen hat, so weise ist, so intuitiv – das ist es, was wir die Seele nennen.

Ich habe sehr viele Kunden betreut, die das bestätigt haben. Ein Beispiel: Eine Kundin hatte mich gerufen, weil ihr Hund auf Menschen losgegangen ist. Wir haben uns angesehen, auf welche Menschen. Interessanterweise haben wir herausgefunden, dass er auf jeden Mann losgeht. Und besonders auf Männer, die irgendwie mit der Frau in Kontakt treten wollten. Die Frau war gerade in einer Scheidungsphase, in der sie nichts von Männern wissen wollte, und der Hund hat das gespürt und hat dann dieser Frau helfen wollen, Männer fern zu halten. Das kann man nur so erklären, dass der Hund so viel über uns Menschen weiß, er uns spiegelt, sich in uns hineinfühlt und weiß, ok, das kann ich machen, um zu helfen.

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